
Bestimmt kennst Du diese Situation auch: Während es draußen ungemütlich und kalt ist, wünscht sich Deine Tochter nichts sehnlicher als einen Rock zur Schule anzuziehen. Sofort hat Dein Verstand tausend Begründungen parat, warum das keine gute Idee ist. Ruhig und souverän erklärst Du Deine Bedenken in der Hoffnung, dass Deine Tochter sie nachvollziehen kann.
Deine Tochter aber geht in den Widerstand und zeigt keinerlei Verständnis für Deine Argumente. Sie möchte doch einfach nur den Rock anziehen! An dieser Stelle hast Du verschiedene Möglichkeiten. Du kannst Dich mit aller Gewalt durchsetzen, Deiner Tochter mit Konsequenzen drohen und ihr Deine Meinung aufzwingen. Unter Tränen und Geschrei wird sie dann mit einer Hose das Haus verlassen und denken, dass ihre Wünsche und damit auch sie selbst nicht wichtig sind.
Ich habe im Laufe der Jahre die Erfahrung gemacht, dass folgende Strategie für uns alle am besten funktioniert:
Ich höre meinen Kindern erstmal zu und nehme ihren Wunsch ernst. Ich erkläre ihnen ausführlich meine Bedenken und mache deutlich, dass ich ihr Vorhaben nicht für gut halte und nicht unterstütze. Ich löse mich von meinen eigenen Erwartungen und Wünschen und übergebe meinen Kindern dann die Verantwortung, selbst zu entscheiden.
In fast allen Fällen reflektieren sie noch einmal ganz in Ruhe und entscheiden sich oft für meine Variante oder einen guten Kompromiss.
Weil das so gut funktioniert, habe ich irgendwann auch in meiner kieferorthopädischen Praxis angefangen, meinen kleinen Patienten und Patientinnen die Verantwortung zu übergeben. Früher habe ich mit den Eltern über die Mitarbeit des Kindes gesprochen, heute wende ich mich direkt an sie. Sobald sie den Sinn hinter ihrer Behandlung verstehen und selbst die Verantwortung für das Tragen ihrer Zahnspange übernehmen, kommt der Erfolg bei vielen von ganz allein.
Mein Sohn hat mir vor langer Zeit mal gesagt, dass sich für ihn “das Müssen müssen” ganz furchtbar und erdrückend anfühlt. Ich bin ihm immer noch sehr dankbar für seinen Hinweis. Spüren wir nicht alle bei dem Wort “MÜSSEN” ein beklemmendes Gefühl? Möchten nicht auch wir mit unseren Bedürfnissen und Wünschen ernst genommen werden? Fühlt es sich nicht auch für uns besser an, selbst zu entscheiden, anstatt andere über uns entscheiden zu lassen?
Fernab von der Tatsache, dass eine vernünftige Lösung nicht immer die bessere ist: Egal, wie abenteuerlich die Wünsche Deines Kindes sind - nimm sie ernst. Erkläre ihm Deine Bedenken, wenn Du welche hast, aber bevormunde es nicht. Lass es selbst entscheiden und auch mal herausfordernde Erfahrungen machen. Nur so lernt es Dinge abzuwägen, Entscheidungen zu treffen und auch Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.
UND, ganz wichtig: Lass es doch einfach mal mehr Pippi Langstrumpf sein und Spaß am Leben haben, egal wie verrückt seine Ideen sind!