Entschleunigung

Letzte Woche war ich für 4 Tage auf einem Schweige-Retreat (Viapassana) und hatte eine teilweise herausfordernde, sehr intensive und am Ende wunderschöne und berührende Zeit mit mir selbst.

Als ich kurz nach meiner Ankunft an diesem ganz besonderen Fleckchen Erde inmitten wunderschöner Natur den Tagesablauf ausgehändigt bekam, war mein erster Gedanke: „Wie soll ich das nur schaffen“? 

 

Der Tag war geprägt von insgesamt 8 Stunden Sitz- und Gehmeditation in absoluter Stille; der einzige Lichtblick waren 3 Mahlzeiten und ein wenig Gartenarbeit, die aber auch in absoluter Stille stattfinden sollten. 

Ich fühlte mich ein wenig überfordert bis mir schließlich bewusst wurde, dass es gar keinen Sinn macht, die komplette Herausforderung als Ganzes zu betrachten. 

Ich entspannte mich langsam und lernte, mich einzig und allein auf den nächsten Schritt zu konzentrieren. Alles fühlte sich plötzlich viel leichter an. Ich übte mich darin, wirklich nur im Hier und Jetzt zu bleiben und mich auf den Moment zu fokussieren. Was für eine Wohltat.

 

Es ist so wichtig, genau das mit in unseren Alltag zu nehmen und auch unseren Kindern zu vermitteln. Wie oft liegen Aufgaben vor uns, die sich so groß und beängstigend anfühlen. Der erste Schritt ist häufig der Schwerste, aber wenn wir den erstmal gegangen sind und uns anschließend immer nur auf den nächsten konzentrieren, fügt sich so Vieles von selbst. Unser Weg fühlt sich auf einmal gar nicht mehr so schwer an. Und das Glücksgefühl, das wir dann verspüren, wenn wir diese „große“ Aufgabe gemeistert haben, ist einfach unbeschreiblich schön. Und so war es auch bei mir.

 

Eine weitere Sache, die mir in diesen Tagen wieder mal bewusst geworden ist: In was für einer rasenden Geschwindigkeit wir unseren Alltag verbringen, häufig sogar ohne diese Geschwindigkeit überhaupt wahr zu nehmen.

 

Ich habe in einer meiner 45-minütigen Gehmeditationen eine sehr berührende Erfahrung mit einer Schnecke gemacht. Während ich in schneckengleichem Tempo meinen Wegabschnitt auf- und abschritt, kreuzte sie in aller Ruhe meinen Weg. Immer wieder ging ich an ihr vorüber und freute mich, dass auch sie wieder ein Stückchen voran gekommen war. Nach Ablauf der 45 Minuten hatte auch sie ihr Ziel erreicht und ich fühlte mich ein Stück verbunden mit ihr. Niemals hätte ich einer Schnecke in dieser Form Beachtung geschenkt, wenn ich in meinem normalen Schritttempo den Weg entlang gegangen wäre.

 

Oft verlieren wir in unserem Alltagstempo den Blick für all die kleinen und schönen Dinge des Lebens, die uns tagtäglich umgeben - in jedem Augenblick. Wir rasen mit großen To Do Listen im Kopf durch unser Leben und vergessen, es zu geniessen und wertzuschätzen.

 

Ich war übrigens gerade wieder zu Hause, da schrieb mich eine Freundin an: Sie fühle sich komplett gestresst von der Langsamkeit ihres Sohnes bei den Hausaufgaben. Der Freund ihres Sohnes sei doppelt so schnell und das bereite ihr wirklich Sorgen.

Immer noch dankbar für die innere Ruhe, die ich von meinem Retreat mit nach Hause gebracht hatte, sagte ich ihr, wie wertvoll diese Langsamkeit doch eigentlich sei und dass es gar nicht darum gehe, das Leben „abzuarbeiten“ und so schnell wie möglich unseren wachsenden Berg an Aufgaben zu erledigen. Vielmehr gehe es doch darum, wieder etwas mehr aus unserem Hamsterrad heraus zu finden und uns und unsere Umwelt wieder wahrzunehmen. 

 

Mein Tipp an sie war: Nimm die Langsamkeit Deines Kindes als Spiegel Deiner Schnelligkeit und übe Dich immer wieder darin, Dinge in Ruhe und bewusst zu machen.

 

Der Weg zum Glück ist manchmal gar nicht so schwer. Ein erster Schritt könnte zum Beispiel sein: Sich an jedem Abend 5 Minuten Zeit zu nehmen und 3 Dinge aufzuschreiben, für die man an diesem Tag dankbar ist. 

Probiere es gerne mal aus! Du wirst sehen, dass Du viel bewusster durch Deinen Alltag gehst und Dich am Abend darüber freust, all die schönen Sachen aufzuschreiben, die der Tag Dir geschenkt hat. Und vielleicht hat Dein Kind ja sogar Lust dazu mitzumachen. 

 

Wir können unserem Kind gar nicht früh genug zeigen, wie schön die Welt ist, wenn wir sie wirklich erleben.