
Das Homeschooling stellt uns Eltern vor eine sehr große Aufgabe: Neben unserer Arbeit und dem Haushalt sollen wir plötzlich auch noch unsere Kinder unterrichten... Wie und wann soll das denn bitte schön passieren? Haben wir nicht schon genug TO DO’s in unserem Alltag? Das waren zumindest meine ersten Gedanken, als wir im März 2020 das erste Mal in den Lockdown gingen.
Und dann dachte ich: Hey, natürlich kann ich in den Widerstand gehen und mich über die Entscheidung der Regierung aufregen, aber ändere ich dadurch wirklich etwas? Nach intensiven inneren Dialogen habe ich mich dann dazu entschieden, die Herausforderung anzunehmen und zu schauen, wohin uns das Ganze führen wird. Meine Praxis habe ich erstmal für zwei Wochen geschlossen, um voll und ganz für unsere Kinder da zu sein. Anschließend haben mein Mann und ich in stark verkürzten Zeiten gearbeitet, so dass immer einer von uns die Kinder beim Homeschooling begleiten konnte.
Eine Luxussituation, ich weiß. Zwar hatten auch wir nicht unbedeutende wirtschaftliche Einbußen, lebten aber immer noch weit weg von Existenzängsten, die so viele andere plagten und immer noch plagen. Trotzdem mussten auch wir uns jeden Tag aufs Neue in Geduld, Verständnis und Gelassenheit üben. Aber wir haben auch viel aus den Lockdowns gelernt und für uns als Familie mitgenommen. Unter anderem: Wie gut es uns allen tut, Druck rauszunehmen!
Es ist wirklich so schön zu sehen, wie effektiv und entspannt die Kinder ohne all den Stress und Leistungsdruck Neues lernen und Spaß daran haben. Außerdem haben wir einen Einblick bekommen, was für ein Pensum die Kinder eigentlich meistern müssen, wo ihre Stärken und auch ihre Schwächen liegen, wo sie noch Unterstützung benötigen und wo sie sich vielleicht schon in ihrer Eigenverantwortung üben können. Wir versuchen mehr und mehr auf die Potenziale und Interessen unserer Kinder zu schauen und sie darin zu bestärken, anstatt auf ihren Schwächen herumzureiten.
Corona hat uns alle wieder ein Stück mehr in die Ruhe und Gelassenheit gebracht und uns als Familie wieder mehr zu einer Einheit zusammen wachsen lassen.
Corona hat uns außerdem noch einmal deutlich vor Augen geführt, was für eine Schulzeit wir unseren Kindern wirklich wünschen: Eine, die geprägt ist von Freude, Neugier, Spaß am Lernen, Entfaltung von Potenzialen und einem schönen Miteinander. Das Leben ist doch viel zu kurz, um es in Ängsten, Egoismus, Konkurrenz, Ehrgeiz, Stress und unter Leistungsdruck zu verbringen. Ein Miteinander und ein Blickwinkel auf die Potenziale der Kinder ohne das ewige „ Höher, Schneller, Weiter“ fühlt sich doch viel schöner an, als immer nur alles möglichst gut, schnell und in der Norm zu erledigen, um am Ende möglichst erfolgreich und reich zu sein.
Ich wünsche mir von Herzen, dass auch die Schule in Zukunft Druck rausnimmt, positiver und lebensnaher wird. Ich habe bereits an die zuständigen Stellen Briefe mit meinen Herzenswünschen geschrieben, jedoch leider nur wenig befriedigende Antworten erhalten. Aber auch, wenn ich die Schule nicht hier und jetzt ändern kann: Zuhause kann ich den ersten Schritt gehen, indem ich meinen eigenen Ehrgeiz zurück stelle und meinen Kindern Lob und Anerkennung unabhängig von irgendeiner Leistung schenke. Ich kann jeden Tag aufs Neue versuchen, meine (meist viel zu hohen) Erwartungen an mich und meine Kinder loszulassen und ihnen Stück für Stück mehr Eigenverantwortung schenken. Und ich weiß inzwischen, dass ich darauf vertrauen kann, dass sie ihren Weg gehen, auch wenn er manchmal in Umwege, Einbahnstraßen oder Sackgassen führt.